Antje Heepmann

Heepmanns Kolumne: Rolex übernimmt Bucherer – und jetzt?

Jahrelang wollte die Marke mit der Krone mit dem Einzelhandelsgeschäft nichts zu tun haben und ließ ihre Boutiquen von erfahrenen Juwelieren führen.

Jahrelang wollte die Marke mit der Krone mit dem Einzelhandelsgeschäft nichts zu tun haben und ließ ihre Boutiquen von erfahrenen Juwelieren führen. Im vergangenen Jahr hätte man jedoch schon vermuten können, dass sich an dieser Strategie etwas ändern könnte.

Im August 2022 wurde Nicolas Brunschwig zum Präsidenten von Rolex ernannt. Er stammt aus einer Genfer Familie, die erfolgreich im Modehandel tätig ist und das Familienunternehmen Bongénie kontrolliert, welches unter der Marke Grieder an Zürcher Bahnhofstraße ein Geschäft für Luxusmode betreibt.

Retail ist für Brunschwig also ein bekanntes Feld. Und nun kann einer der größten Uhrenhändler von ihm bestellt werden. Vorbereitet auf ein derartiges Szenario war man bei Rolex offenbar.

Durch den Mega-Deal entsteht ein Mega-Unternehmen. Denn es kommen die größte Uhrenmarke der Schweiz mit einem geschätzten Umsatz von 9,3 Milliarden CHF und der wichtigste Rolex-Händler Europas und der USA zusammen. Der gemeinsame Umsatz wird wohl den übertreffen, den der-Gigant LVMH mit Uhren und Schmuck erwirtschaftet, und fast doppelt so hoch sein wie der der Swatch Group.

Marcel Speiser, Stv. Chefredaktor der Handelszeitung, vermutet übrigens, dass bei dem Verkauf eine Summe mit neun Nullen im Spiel war.

„Dies ist kein strategischer Schritt von Rolex in Richtung Einzelhandel“, heißt es in einer Erklärung der Watches of Switzerland Group. „Es wird keine operative Beteiligung von Rolex am Bucherer-Geschäft geben.“

Dabei betont der börsennotierte, britische Luxusuhrenhändler, dass seine Aussage „von der höchsten Ebene des Rolex-Managements in der Rolex-Zentrale in Genf und vor Ort in Großbritannien und den USA überprüft und bestätigt“ wurde.

Und weshalb dann?

Rolex gibt an, Bucherer gekauft zu haben, weil sich der Eigentümer Jörg Bucherer zum Verkauf entschlossen hatte, da er keine direkten Nachkommen hat, an die er das Unternehmen weitergeben könnte.

Dass der 1936 geborene Jörg Bucherer irgendwann sein Unternehmen zum Verkauf anbieten würde, war anzunehmen. Aber weshalb bekam Rolex den Zuschlag?

„Mit dieser Akquisition will die Genfer Uhrenmarke den Erfolg der Firma Bucherer sowie die enge, seit 1924 bestehende Partnerschaft zwischen den beiden Unternehmen fortsetzen.“, so die offizielle Begründung.

Aber weshalb hat Jörg Bucherer nicht an eine große, mit dem Retail-Geschäft vertraute, Einzelhandelsgruppe verkauft? Zum Beispiel an die bereits erwähnte Watches of Switzerland Group, die derzeit mit 1,7 Milliarden Pfund bewertet wird und enge Verbindungen zu den Finanzmärkten hat, um gegebenenfalls zusätzliches Kapital aufzutreiben.

Riesige asiatische Einzelhandelskonzerne wie The Hour Glass in Singapur oder Chow Tai Fook in Hongkong wären ebenfalls Optionen gewesen, oder Ahmed Seddiqi aus Dubai. Andere potenzielle und potente Interessenten hätte es also gegeben.

Aber vielleicht ist ja wirklich etwas dran, dass es darum geht, die über 90-jährige partnerschaftliche Beziehung, bei der man wechselseitig zu beider Erfolg beigetragen habe, fortsetzen wolle.

Möglicherweise wollte man aber auch verhindern, dass LVMH nach Tiffany erneut bei einer großen Juwelierskette zuschlägt und vorrangig den eigenen Marken den Platz an der Sonne im Schaufenster, beim Marketing und bei der Beratung zugesteht.

Zudem baut Rolex gerade massiv die eigenen Produktionskapazitäten aus. Das große Mehr an Uhren, dass es vermutlich ab 2029 geben wird, hat seinen Platz an den prestigeträchtigen Verkaufsorten dieser Welt sicher.

Und jetzt?

Darüber kann man tatsächlich angesichts der Verschwiegenheit beider Unternehmen ebenfalls nur spekulieren beziehungsweise Fragen aufwerfen:

Was bedeutete der Mega-Deal für Rolex? Was bedeutet er für Bucherer? Und was bedeutet er für andere große Rolex-Konzessionäre wie beispielsweise Wempe?

„Der Uhrenfachhändler Bucherer wird seinen Namen behalten und seine Geschäftstätigkeit eigenständig fortsetzen“, heißt es in der offiziellen Mitteilung von Rolex.

Es wäre aber wohl naiv zu glauben, dass dies die ganze Wahrheit ist und alles genau so bleibt, wie es war. Vermutlich wird Rolex die eingeschlagene Strategie von Bucherer analysieren, um dann weitere Schritte einzuleiten.

In der für alle übrigen Konzessionäre apokalyptischen Version der Zukunft würde Rolex nach und nach seinen gesamten weltweiten Vertrieb auf Bucherer fokussieren, und so im Prinzip direkt an den Endkunden verkaufen.

Dass dieses Szenario eintritt, ist aber recht unwahrscheinlich, denn damit würde sich Rolex selbst Hunderte von erfolgreichen Türen verschließen. Hinsichtlich der reinen Rolex- und Tudor-Boutiquen hingegen könnten sich hingegen schon die Namen der Betreiber durchaus ändern.

Und könnte Bucherer bei der Zuteilung der Uhren demnächst die Nase vorn haben und müsste weniger lange Wartelisten pflegen? Denkbar. Allerdings haben alle autorisierten Händler Verträge, die dies möglicherweise gar nicht zulassen.

Möglicherweise wird sich jedoch weniger ändern, als viele in der ersten Aufregung vermuten. Es wird sicher strategische Anpassungen bei Bucherer geben, und vor allem Rolex kann Bucherer für Trend- und Konsumentenstudien nutzen.

„Der Big Bang und damit der Anfang eines neuen Uhren-Universums wird der Deal aber wohl nicht sein.”

Antje Heepmann

Nach dem Studium der Germanistik begann ich 1999 meine journalistische Laufbahn als Volontärin beim Branchenmagazin „U.J.S. Uhren Juwelen Schmuck ”. Bis 2018 blieb ich zunächst als Redakteurin und...

Leave a comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *