Gastbeitrag, Thomas Krim: Außergewöhnliche Zeitzeichen: Bulova Accutron und Omega Speedmaster Speedsonic „Lobster“

„Zeitzeichen“ sind für mich Uhren mit außergewöhnlicher Technik, gepaart mit einem avantgardistischen Design, die in ihrem jeweiligen Marktsegment damals (und heute) Zeichen setzten – Zeitzeichen eben.

„Zeitzeichen“ sind für mich Uhren mit außergewöhnlicher Technik, gepaart mit einem avantgardistischen Design, die in ihrem jeweiligen Marktsegment damals (und heute) Zeichen setzten – Zeitzeichen eben. Es gibt viele Zeitzeichen, zwei davon möchte ich in diesem Beitrag vorstellen. (Der Artikel ist auch auf zeigr.com erschienen.)

Bulova Accutron Spaceview

Es war irgendwann im Sommer 1965 auf dem Parkplatz des Hotels „Schweizerhof“ in Davos, als Frieder Bürkli, ein netter älterer Schweizer Pensionär und Hotelgast, mit dem ich abends oft Schach spielte (und immer verlor), aus seinem schneeweißen Cadillac Eldorado Cabriolet (mit elektrischen Verdeck und elektrischen Sitzen) stieg und mir einen Kasten mit der Aufschrift „Bulova“ zeigte. Er hatte sich gerade bei Juwelier Stäubli eine neue Uhr gekauft. „Zeige ich Dir heute Abend.“, sagte er.

Wir trafen uns abends wieder auf der Hotelveranda zum Schachspielen. Er hatte seine neue Uhr am Handgelenk, nahm sie ab und gab sie mir zum Anschauen in die Hand. Das Erste, was mir auffiel, war das Innenleben, das man durch das Uhrglas betrachten konnte. Die Uhr sah aus wie ein aufgeplatztes Radio. „Halte die Uhr ans Ohr“ riet Herr Bürkli. Ich hielt sie ans Ohr und hörte ein lautes Summen.

„Das ist eine ganz genaue Uhr, die geht nur wenige Sekunden falsch“, war seine Erklärung dazu.

Ich hielt eine heute wie damals legendäre Bulova Accutron Spaceview in der Hand. Erdacht und konstruiert vom Schweizer Bulova-Ingenieurs Max Hetzel, stellte diese Uhr anlässlich ihrer Vorstellung auf der „Schweizer Uhrmacher Messe“ in Basel 1960 einen Quantensprung der Ganggenauigkeit dar.

Bulova garantierte eine maximale Abweichung von sechzig Sekunden im Monat – also zwei Sekunden pro Tag. Das Stimmgabelwerk, das man durch das offene Zifferblatt bestaunen konnte, summte mit 360 Schwingungen in der Sekunde (360 Hz) vor sich hin. Ebenso auffallend war die fehlende Krone, die sich als flacher Zeiger-Stellknopf auf der Rückseite der Uhr verbarg.

Bulova baute die Accutron bis 1977 und verkaufte mehr als fünf Millionen Exemplare.

Es gab diverse Modelle, so auch eine GMT-Version für Piloten, sowie die „Astronaut“ – mit und für die Weltraumissionen der NASA entwickelt.

Basierend auf dieser Erinnerung bin ich nach wie vor auf der Suche nach einer schönen Bulova Accutron Spaceview für meine Sammlung.

Leider muss man bei der Jagd sehr selektiv sein.

Worauf bei der Bulova Accutron Spaceview zu achten ist

Es ist grundsätzlich so, dass viele Nicht-Spaceview Accutron-Modelle durch Weglassen des Zifferblattes und das Verwenden eines billigen, auf der Oberseite bedrucktem Aftermarket-Acrylglases von unseriösen Verkäufern zu „Spaceview“-Modellen „geadelt“ werden.

Außerdem ist die Elektronik oft unsachgemäß repariert, und die ursprüngliche „PNP“-Schaltung wurde durch eine problematische „NPN“ Schaltung ersetzt. Diese Uhren laufen zwar dann einigermaßen, von einer Ganggenauigkeit einer originalen „Spaceview“ kann aber keine Rede sein.

Worauf dabei zu achten ist: Der Kollektor des PNP-Transistor muss auf der rechten Seite der Spule an der vorhandenen (!) großen Kontaktplatte angelötet sein:

Es ist problemlos möglich, gut erhaltene Modelle zwischen 500 und 1.000 Euro zu finden. Man muss nur intensiv suchen und sich seiner Sache sicher sein. Durch eine Vielzahl gut recherchierter Seiten im Netz kann man sich aber ein gewisses Grundwissen anlesen.

Es gibt auch (in Deutschland) mehrere gute Uhrmacher, die sich auf Schwinggabeluhren spezialisiert haben, und die auch technisch in der Lage sind, diese fachgerecht zu reparieren. Auch notwendige Ersatzteile sind – wenn auch teilweise sehr eingeschränkt – noch erhältlich. In schwierigen Fällen muss zur Not ein abgerocktes Exemplar als Ersatzteilspender herhalten.

In Ergänzung meiner Erinnerung an die erste summende Uhr wandte ich mich auch noch einer anderen Uhr zu. Die Kombination der technischer Innovation aus 1. Chronograph und 2. Stimmgabeluhr und 3. außergewöhnlichem Design konnte nur in eine Richtung führen:

Omega Speedmaster Speedsonic „Lobster“

Diese Uhr habe ich schon immer visuell bewundert. Kauftechnisch ist sie aber jahrelang an mir vorbeigerauscht. Beim Beschäftigen mit der Accutron wurde sie aber in meinem Kopf immer präsenter. Also machte ich mich auf die Suche und hatte tatsächlich Glück, ein Exemplar in sehr gutem Zustand relativ preisgünstig erstehen zu können.

Beim Betrachten der Uhr wird schnell klar, woher der Spitzname „Lobster“ stammt. Das Gehäuse hat eine sehr gerundete und fließende Form, und der Gehäuseübergang und das Band ähneln stark einem Hummerschwanz.

Omega hat das Werk unter Lizenznahme des Stimmgabelprinzips von Bulova als Omega Kaliber 1250 sowie als ETA 9162/9210 realisiert. Dubois-Depraz konstruierte das Chronographenmodul dazu, fertig war das Omega Kaliber 1255.

Die Uhr kommt mit mächtigen 133 Gramm Gewicht, 44 mm Gehäusedurchmesser und rund 15 mm Gehäusehöhe daher. Ist also nicht unbedingt für zierliche Handgelenke bestimmt. Mit den Hilfszifferblättern auf 6, 9 und 12 Uhr und dem Day/Date-Kalender bei 3 Uhr könnte man meinen, die Uhr wäre mit einem Valjoux 7750 versehen. Aber das Werk summt ja nicht…

Das verspiegelte Tritium-Zifferblatt macht das Ablesen nicht unbedingt einfach, zumal die Zeiger auch noch weiß sind. Die klötzchenartigen, hohen Stundenindizes scheinen durch den 3D-Effekt des verspiegelten Zifferblatts quasi zu schweben. Umkränzt ist das Zifferblatt von einer feinen Minuterie mit 1/20 Sekunden-Einteilung, die schwarze Tachymeter-Skala ist von unten auf das Glas gedruckt. Über dem Kalenderfenster ist ein sehr wichtige Wort aufgedruckt: „Chronometer“!

Als ich meinen Neuerwerb kürzlich einem Freund (ebenfalls Uhren-Aficionado) zeigte, kam die trockene Frage: „Gab’s die auch in hübsch?“ Über Geschmack kann man eben streiten.

Worauf bei der Omega Speedmaster Speedsonic f300 “Lobster” zu achten ist

Die gängigen Ersatzteile für das Gehäuse (Krone, Drücker, Glas & Dichtungen) sind bei Omega noch verfügbar, Bänder und Bandersatzteile sind vom Hersteller nicht mehr erhältlich. Das ist auch der Grund, warum viele „Lobster“ mit „falschen“ Bändern angeboten werden. Aber ein Hummer ohne Hummerschwanz ist nun mal kein Hummer. Also Finger weg von solchen Uhren.

Gängige Werkersatzteile sind rar, aber noch zu beschaffen, wie z. B. das filigrane Indexrad aus Beryllium, die beiden Spulenkörper oder die zentrale Schwinggabeleinheit. Schwierig wird es bei den Teilen für das Chronographen-Modul.

Um das Werk zu schützen gilt in jedem Fall: Bei längerem Weglegen der Uhr die Krone ziehen, um das Werk zu stoppen. Besser ist es, die Batterie herauszunehmen, um eine Tiefentladung und die damit verbundene Gefahr des Auslaufens zu verhindern. Sonst ist das Werk ein irreparabler Totalschaden. Dieser Hinweis gilt im Übrigen für alle Uhren mit batteriegetriebenen Werken.

Eine schöne Omega Speedmaster Lobster findet man in der Preislage zwischen 1.500 und 2.500 Euro auf den gängigen Plattformen. Man sollte zudem auf eine ausreichende Anzahl an Armbandglieder achten, wenn man etwas kräftigere Handgelenke hat. Viele Bänder sind auf das Standardmaß (~18 cm) gekürzt, was einem max. Armumfang von ca. 22 cm entspricht.

Soweit zu den beiden Zeitzeichen Omega Speedmaster Speedsonic f300 “Lobster” und Bulova Accutron. Weitere folgen demnächst.


Über den Autor

Thomas Krim ist einer der letzten Furnituristen Deutschlands – ein Spezialist und (Groß-)Händler in Sachen Uhrenersatzteile, Uhrmacherbedarf und Uhrenzubehör.

Er ist Inhaber des 1898 gegründeten Unternehmens „Ernst Westphal“ und des angeschlossenen Online-Shops Watchtparts24.

Im WatchPro-Artikel „Der Herr der Teile“ haben wir Thomas Krim bereits porträtiert.

Als passionierter Sammler von Vintage-Uhren stellt er nun einige seiner persönlichen Favoriten vor, gibt Tipps und Einblicke.

 

Antje Heepmann

Nach dem Studium der Germanistik begann ich 1999 meine journalistische Laufbahn als Volontärin beim Branchenmagazin „U.J.S. Uhren Juwelen Schmuck ”. Bis 2018 blieb ich zunächst als Redakteurin und...

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